Auszug aus dem Forschungstagebuch

Autorin: Marie-Christin Rissinger

Wenn ich Wahlkampf für die FPÖ betreiben würde, würde ich Klimaschutz ganz oben auf die Agenda schreiben, denn wer glaubt, dass Europa 2015 im ‘Sommer der Migration’ von Flüchtlingen “überrannt” wurde, der darf sich auf die nächsten zehn bis fünfzig Jahre freuen:

Riesige Regionen des Planeten Erde, Regionen in denen Menschen fast ausschließlich von Landwirtschaft leben, geht das Wasser aus. Anderen Menschen steht es schon buchstäblich bis zum Hals, denn sie leben auf Inseln, die sehr bald schon im Meer versunken sein werden. Natürlich kann man Mauern bauen, kann Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen – doch dies geht nur bis zu einer bestimmten Zahl. Überschreitet menschliches Elend eine kritische Masse, wird sich dieses lokal produzierte Konfliktpotential über Europa ergießen. Und so schnell kann er wieder da sein, der Krieg auf eigenem Boden. Doch nicht nur die Grenzschutz-, Sicherheits-, Militär- und Rüstungs-Budgets Europäischer Regierungen werden explodieren, in nichts nach stehen ihnen Investitionen in Infrastruktur, denn: auf die Sturmfluten und Tornados, die hier bald schon an der Tagesordnung sein werden, ist kein Haus, kein Deich, kein Staudamm ausgelegt. Gleichzeitig wird es drastisch weniger Regenfälle geben und der Grundwasserspiegel massiv absinken. Aber gut, wollen wir mal nicht alles so schwarz malen – des einen Leid ist des anderen Freud. Das Eis der Arktis schmilzt, so es entstehen neue Flächen für Landwirtschaft und neue Gebiete in denen Bodenschätze gewonnen werden können. Die territorialen Kämpfe um diesen Boden sind bereits in vollem Gange. So kann ein Teil der Folgen des Klimawandels erst mal auf die nächsten Generationen vertagt werden, die dann lediglich mit ein wenig drastischeren Konsequenzen zu kämpfen haben. Es handelt sich ja nur um die Kleinigkeit, dass der Planeten auf dem sie leben auf dem besten Wege ist, unbewohnbar zu werden. Zugegeben – das werden weder du noch ich erleben, nur ein bisschen ungemütlicher wird’s halt – und die Aufgabe von Politiker*innen ist es wohl kaum sich mit Problem auseinanderzusetzen, die nicht nur eine Wahlperiode sondern womöglich auch noch ihre Lebenszeit überschreitet. Das bringt nun wirklich keine Wählerstimmen. Oder etwa doch?

Eine Generation der bis vor kurzem vorgeworfen wurde – die unpolitischste aller bisherigen Generationen zu sein – hat plötzlich neue Stars. Stars wie Greta Tuhnberg oder den blauhaarigen Youtuber Rezo. “Ihr versaut unsere Zukunft” schallt es jeden Freitag durch Europas urbane Metropolen und plötzlich hört Mensch zu; Und versteht vielleicht zum ersten mal, was seit mindestens 20 Jahren bis zur Erschöpfung von Wissenschaftler*innen gepredigt wurde. Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten, aber zwischen 1,5 und 4 Grad liegen Welten.

Eine massive Transformation von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik steht bevor. Die einzige Frage die sich stellt: Werden wir diese Transformation aktiv, in eine wünschenswerte Richtung gestalten oder zu Sklaven der Konsequenzen unseres eigenen Handelns werden?
Aber welche gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Veränderungen sind es genau, die hier „gestaltet“ werden soll? Was ist denn bitte eine “wünschenswerte” Richtung? Und: Wo anfangen, wo ansetzen? Kann ich als Einzelperson wirklich etwas zu einem systemischen Wandel beitragen? Bin ich eigentlich dazu bereit? Ist das nicht furchtbar anstrengend, unpraktikabel vielleicht sogar riskant?

“We are unstoppable, another world is possible!” Vielleicht sagt dir der Hambacher Forst etwas. Vielleicht erinnerst du dich an die Bilder die zuletzt im Juni dieses Jahres durch die Presse gingen, Bilder von Menschen in weißen Anzügen, die in Nordrhein-Westfalen riesige Menschenketten um 380 Meter lange Braunkohlebagger von RWE bildeten und den sofortigen Ausstieg aus der der Braunkohle fordern. Mehr noch: Sie wollen Klimagerechtigkeit, die ihrer Meinung nach nicht von Kapitalismuskritik zu trennen ist. In der Art und Weise wie sie Aktionen organisieren, wie sie miteinander kommuniziert und gemeinsam Entscheidungen treffen, leben sie – zumindest kurzzeitig – ihre ganz persönliche gesellschaftliche Utopie. Diese Menschen in weißen Anzügen nenne sich Ende Gelände und verstehen sich als Aktionsbündnis. In bildgewaltigen, hochproffessionel organisieren und lange im Vorfeld angekündigten Massen-Aktionen leisten sie zivilen Ungehorsam und riskieren dabei, nicht nur Opfer von Polizeigewalt zu werden, sondern mitunter auch Freiheitsstrafen. Es mag widersprüchlich klingen, doch die oberste Prämisse des Aktionskonsens heißt: “Wir sind friedlich, von uns geht keine Gewalt aus”, die geplanten Gesetzesübertretungen folgen dem Slogan “Wir sagen was wir tun und wir tun was wir sagen” und gleichzeitig ist es völlig klar: “Lieber haft als Kohlekraft”.

“We believe that it is possible to be a profitable business and – not but or jet, and – create a social and environmental positive impact.” Wusstest du, dass über 50% des Abfalls der in Deutschland produziert wird, in der Baubranche anfällt? Wenn es möglich wäre – davon ist das Startup CRCRL GmbH überzeugt – auch nur ein klein wenig zirkulärer zu bauen, hätte dies eine enorme Wirkkraft. Um das zu beweisen, haben sie gemeinsam mit einer Stiftung ein Gebäude auf dem ehemaligen Gelände der Kindl Brauerei mitten in Berlin Neu-Kölln gekauft und wollen hier komplett zirkuläre Wohnungen bauen. Ein Experiment für nachhaltiges Leben und Arbeiten, ein praktischer Vorschlag, ein Prototyp.

“Vollkommen ausgeschlossen die Gebäude würden zusammenbrechen!” In der Schweiz ist es verpflichtend 20% Recyclingbeton beim Bau eines neuen Gebäudes einzusetzen. In Deutschland sei dies “vollkommen ausgeschlossen”, weiß Reinhard Kaiser ehemaliger Leitender Beamter im Bundesumweltministeriums, heute Pensionist, zu berichten und schüttelt dabei vor lauter Absurdität den Kopf. Nicht das es verboten ist, das nicht, aber um Recyclingbeton einzusetzen, braucht es in Deutschland die Genehmigung der zuständigen obersten Baubehörde. In einem Bundesland ist das normalerweise das Ministerium. Wenn du also beispielsweise ein Einfamilienhaus baust und willst Recyclingbeton einsetzen, dann brauchst du eine Genehmigung, nicht der Bezirksregierung, nicht des Landkreises, nicht der Kommune, sondern des Ministeriums. Und das trotz des ganzen Mülls: “Wir suchen händeringend nach Möglichkeiten diesen Bauschutt zu verwerten, nach große Löcher die andere Leute ausheben um sie mit Bauschutt zu befüllen z.B. Braunkohlegruben”

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