Erprobung im Reallabor – Das Instrument impactjournalistischen Arbeitens

Ein Ansatz aus dem AP 5

Autor: Joachim Borner

Reallabore können spezifische Forschungsinfrastrukturen sein, die zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen wünschenswerte und mögliche Zielvisionen erarbeiten und Wege für eine nachhaltige Entwicklung austesten. Sie schließen den Zyklus transdisziplinärer Forschungsprozesse, in dem sie die wissenschaftlichen Modelle mit ihrem Problemwissen konkretisieren. Damit bilden sie die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Der Forschungsprozess besteht zunächst aus (1) dem Ko-Design (a) mit einer kollaborativen Problembeschreibung durch Wissenschaftler*innen und Entscheidern (Systemwissen), (b) gemeinsamer Beschreibung einer Zukunftsvision(en) als Referenzrahmen (Zielwissen), (c) und Szenarienentwicklung mit der Ableitung von Handlungsschritten. Dabei werden (2) Einzelelemente herausgegriffen und in „Realexperimenten“ getestet, wodurch gemeinsam Wissen produziert wird (Ko-Produktion). (3) Der letzte Schritt besteht aus der Ko-Evaluation und Dissemination der Ergebnisse und des gewonnenen Transformationswissens in den unterschiedlichen Wissensfeldern Wissenschaft und Praxis.

Also sind Reallabore Erkundungsverfahren für hochkomplexe und dynamische sozioökonomische, sozioökologische, soziokulturelle Prozesse, die von unerwarteten Ereignissen getroffen werden – was Veränderung der Akzeptanz in der Bevölkerung, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, Veränderung der politischen Landschaft u.a.  bedeuten kann. In ihnen spielen Kommunikationsprozesse und die Kultur der Auseinandersetzung und der Willens- und Entscheidungsfindung eine wesentliche Rolle. Das ist das Verständnis, was Reallabore in Transformationsprozessen aus wissenschaftlicher Sicht leisten sollten. http://komob.de/wp-content/uploads/2018/02/ENavi_AP13_KMGNE_Konzeptpapier_Reallabore_Borner-Kraft_Jan2018.pdf

Aus der Perspektive des Impakt-Journalismus ist der Reallaboransatz in mindestens zwei Optionen deshalb interessant, weil er „institutionell“ Wissenschaft, praktische Expertise, Zielvorstellung und Dialog- und Verbreitungsanspruch verbindet. Letzterer ist bislang eher ein Appendix und nur darauf ausgelegt, der Öffentlichkeit mitzuteilen, was durch die Transformationsmaßnahme verändert wird. Wird jedoch die Kommunikation in das Zentrum der Arbeit des Reallabors eingebunden, könnte der katalytische Effekt, den Reallabore für Transformationsprozesse haben können, verstärkt werden.

Erstens: Der impakt-journalistische Ansatz wird bewusst in Reallabore der Energie-, Verkehrs-, Ernährungswende u.a. implementiert. Inhaltlich bedeutet das, dass von Beginn des kollaborativen Suchprozesses an, also schon beim Co-Design der Forschungs- und Entwicklungsfragen, die Kommunikation zum Vorhaben durch kontinuierliche journalistische Arbeit gestaltet wird. Dadurch, dass diese interaktiv angelegt ist und Entscheidern wie Bürger*innen Rückmeldungen geben, wird die journalistische Kommunikation selbst Teil des Ko-Designs aber auch Teil der Ko-Produktion und Ko-Evaluation und Reflexion. D.h. impakt-journalistische Intervention wird zu einer gleichberechtigten Aufgabe neben den wissenschaftlich-technischen, planerischen und Interventionen in den Rahmenbedingungen von Realexperimenten – und zwar strategisch.

Zweitens: Impakt-journalistische Kollektive besetzen aktiv ein Themenfeld nachhaltiger Entwicklung bzw. einen geografisch und sozialräumlich eingrenzbaren Transformationsprozess (Kohleausstieg in der Lausitz) und setzen zielgruppenspezifisch die Tagesordnung. Dazu organisieren sie sich ihr Reallabor: Auf der Grundlage spezifischer Beschreibungen, welche Wirkungen die journalistische Kommunikation konkret anstrebt, werden Wissenschaftspartner*innen und Praxispartner*innen in das Reallabor integriert. Aus der Kommunikationsperspektive wird dann das Design des Labors und seiner Arbeitsschritte (Experimentierfelder) gemeinsam entwickelt und gemeinsam umgesetzt. Es ist ein reflexiver Arbeitsprozess, der ein breites Feld von journalistischen und Kommunikationsformaten bedient und langfristig angelegt ist und sich dabei explizit auf soziale Lernprozesse und auf die Ausbildung sozial robusten Wissens konzentriert. Darin hat die impaktjournalistische Arbeit die besondere Rolle, für ein wirkungsvolles agenda setting die Themen wie auch die Arbeitsschritte und dafür nötige Allianzen zu kuratieren. Ein mögliches Muster für diese Arbeitsweise hat der Heilbronner Prof. Ralf Borchert geliefert. (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-08/Autokennzeichen-Kampagne-Wissenschaft/komplettansicht)

Kommentare sind deaktiviert